Gast Gast
| Thema: Mal etwas zum schiitischen Halbmond.... 26.08.09 0:06 | |
| Der Mythos vom schiitischen Halbmond....
--------------------------------------------------------------------------------
Der Grund, auf diese unselige und nutzlose Episode zurückzukommen, ist nicht, die Schuld daran Israel in die Schuhe zu schieben, das lediglich einer der Mitspieler und nicht mehr und nicht weniger skrupellos als andere ist. Es war die Hisbollah, die den Angriff am 12. Juli 2006 über die israelische Grenze trug, um israelische Soldaten zu entführen, vermutlich mit dem Ziel, sie gegen 15 Kriegsgefangene einzutauschen, die Israel während der Besatzung des Libanon genommen und nach dem Abzug nicht wieder freigelassen hatte. Es war auch die Hisbollah, die bei der Operation als Ablenkungstaktik die ersten Raketen über die Grenze feuerte. Ähnliche Zwischenfälle hatte es entlang der Grenze ein halbes Dutzend Mal gegeben, seit sich die Israelis 2002 aus dem Libanon zurückgezogen hatten, zuweilen von den Israelis begonnen, zuweilen von der Hisbollah, ohne aufseiten Israels zu einer großen Eskalation zu führen.
Die Hisbollah ging vermutlich davon aus, dass dies lediglich ein weiterer solcher Zwischenfall bleiben würde und lieferte unwillentlich den Vorwand - die Entführung zweier israelischer Soldaten, bei der acht weitere ums Leben kamen, entweder beim ersten Angriff oder bei dem Versuch, die Gefangenen zu retten - für eine lange geplante israelische Offensive. Daher wurden massive israelische Luftschläge nicht nur gegen Hisbollah-Stellungen geführt, sondern auch gegen schiitische Viertel von Beirut und Infrastrukturziele im ganzen Land. Die Hisbollah antwortete mit einem täglichen (nicht sehr wirkungsvollen) Raketenhagel auf Städte und Ortschaften in ganz Nordisrael. Die Fernsehbilder eines militärischen Giganten wie Israel, der völlig straflos systematisch das praktisch ungeschützte Hinterland des Libanon aus der Luft in Trümmer legt, erregten so großes Entsetzen, dass der internationale Druck, einen Waffenstillstand zu schließen, rasch wuchs. Den USA und Großbritannien gelang es jedoch, den diplomatischen Prozess drei Wochen lang hinauszuzögern, um ihrem israelischen Verbündeten die im ursprünglichen Plan vorgesehene Zeit zu verschaffen. Am Ende des Kriegs, nachdem die israelische Landinvasion im Südlibanon ins Stocken geraten und am 14. August 2006 schließlich ein von der UNO vermittelter Waffenstillstand in Kraft getreten war, lagen große Teile der libanesischen Infrastruktur in Trümmern, ein beträchtlicher Teil von Südbeirut war praktisch dem Erdboden gleichgemacht, und das Land stand wieder an der Schwelle zu einem Bürgerkrieg. Es war, um das Mindeste zu sagen, unbedacht von der Hisbollah, eine israelische Vergeltung gegen den ganzen Libanon zu provozieren - aber nichts davon geschah, weil die Menschen im Südlibanon Schiiten waren. Die Schiiten im Südlibanon leben an der Front zu Israel und wurden durch diese Erfahrung durch und durch radikalisiert. (Es wird heute gewöhnlich vergessen, dass die schiitische Landbevölkerung im Süden dem libanesischen Staat gegenüber so entfremdet war, dass sie 1982 anfänglich die israelischen Invasoren willkommen hieß.) Es gibt jedoch nichts sonderlich schiitisches an ihrer Politik oder ihrem Verhalten, Wären damals im Südlibanon sunnitische Araber die beherrschende Bevölkerungsgruppe gewesen, so hätten sie eine ähnliche Radikalisierung durchgemacht. Es ist das bizarre konfessionelle Regierungssystem des Libanon, das die meisten Menschen im Süden als Schiiten etikettiert, so wie es andere als maronitische Christen, Sunniten oder Drusen definiert. Dieses Proporzsystem zwingt alle dazu, ihre Ziele und Kämpfe innerhalb dieses von der Spaltung in religiöse Gruppen geprägten Rahmens zu verfolgen. In jüngster Zeit haben Bürger im Zentrum und im Norden des Lands, die in größerer Sicherheit leben und wohlhabender sind, versucht, aus dieser religiösen Zwangsjacke auszubrechen und eine echte libanesische Demokratie zu schaffen, was eine wirklich gute Idee wäre, aber die Schiiten sitzen sowohl geografisch wie durch ihre Armut in der Falle. Sie sind bewaffnet und zum Kampf organisiert, nicht weil sie Schiiten sind, sondern weil sie unter israelische Besatzung gefallen waren und sich Verbündete suchen mussten, wo immer sie welche fanden. Und das ist auch schon alles, was es an schiitischer Bedrohung in der arabischen Welt gibt. Alle Politik ist lokal, und ein schiitischer Halbmond existiert nicht. Tatsächlich ist das von den Umwälzungen im Irak am meisten bedrohte Regime das syrische selbst, das bis zu den jüngsten Ereignissen im Irak einem schiitischen Regime in der arabischen Welt am nächsten kam. Gerechterweise ist anzumerken, dass die regierende Baath-Partei in Syrien formell eine säkulare und für alle Volksgruppen offene Partei ist, die nicht nach ethnischen oder religiösen Bindungen unterscheidet und lediglich, zumindest als Lippenbekenntnis, Treue zur arabischen Identität Syriens verlangt. Tatsächlich wird Syrien jedoch so fest von einer kleinen Gruppe eng verwandter Familien konntrolliert wie früher der Irak allerdings mit einem Unterschied. Die Familien aus Tikrit, die im Irak seit den frühen siebziger Jahren das Baath-Regime beherrschten und schließlich zu Saddam Husseins unverzichtbarem inneren Zirkel wurden, waren von anderen Mitgliedern der traditionell herrschenden Gruppe sunnitischer Araber im Hinblick auf Religion und Ethnie ununterscheidbar. Es war nur so, dass sie sich zufällig kannten und einander vertrauten, was ihnen einen Vorsprung gegenüber fast allen anderen in der Baath-Partei des Irak verschaffte und sie schließlich an die Spitze brachte. (Die Politik in der arabischen Welt ist meist sehr lokal.) Doch die Gruppe von Emilien, die über Syrien herrscht, ist weit exotischer. Sie sind Alawiten, auch Alauiten oder Nusairier genannt, Mitglieder einer in ihren Glaubensvorstellungen und -praktiken so andersartigen islamischen Sekte, dass selbst die Hauptströmung der Schiiten in ihnen Ketzer sieht, obwohl sie sich eindeutig aus der schiitischen Tradition herleiten. Die meisten der zwei Millionen Mitglieder zählenden alawitischen Gemeinschaft (etwa ein Zehntel der syrischen Bevölkerung) sind einfache Bauern, die im Nordwesten Syriens um die Stadt Latakia herum leben. Ein beträchtlicher Teil ihrer Söhne wurde jedoch in die Armee der französischen Colonialherrscher rekrutiert, die es vorzogen, die militärische Macht über Syrien nicht in die Hände der orthodoxen sunnitischen Muslime zu legen, die 75 Prozent der syrischen Bevölkerung von 17,8 Millionen Menschen ausmachen. Sobald die Franzosen nach dem Zweiten Weltkrieg abgerückt waren, sicherten sich die alawitischen Offiziere den gebührenden Einfluss - natürlich als irabische Nationalisten, syrische Patrioten und Mitglieder der Baath-Partei, aber auch als Mitglieder einer abgeschotteten Sekte, die in gewisser Weise einer Geheimgesellschaft gleichkommt. Mit dem Putsch des Luftwaffengenerals Hafiz al-Assad, einem :hemaligen Kampfpiloten, kamen 1970 die Alawiten in Syrien vollends an die Macht, denn Assad war sowohl Alawit als auch Baathist. Mehr noch als die Tikriter im Irak achteten die Alawiten in Syrien peinlich genau darauf, dass andere mächtige Gruppen in immer einzumindest halbwegs befriedigendesStück des Kuchens abbekommen,doch wirkliche wichtige Bereiche wie die Geheimdienste werden von Alawiten kontrolliert. Ihre Herrschaft im Land ist so umfassend, dass der Tod des ersten alawitischen Diktators im Jahr 2000 (nach nur 30 Jahren im Amt) politisch kaum die Oberfläche kräuselte. Hafiz al-Assads jüngerer Sohn Baschar, ein Augenarzt, folgte ihm ohne sichtbare Opposition ins Amt des Präsidenten (sein älterer Bruder Basil, der ursprünglich auf die Rolle vorbereitet worden war, kam 1994 bei einem Autounfall im Stil James Deans ums Leben.)
Nachsatz:
Israel ist wahrscheinlich die fünftgrößte Atommacht der Erde mit mehr Atomsprengköpfen als Großbritannien. Seit Ende der neunziger Jahre beschaffte sich das Land eigens gebaute deutsche U-Boote der Dolphin-Klasse (geplant ist die Anschaffung von insgesamt fünf) und rüstete sie ausschließend mit Marschflugkörpern aus (basierend auf der amerikanischen Harpoon-Rakete die Atombomben zu fast jedem Ort des Mittelmeeres, des Roten Meeres, des Persischen Golfs und des Arabischen Meeres abschießen können. Israel ist unzweifelhaft die größte Militärmacht im Nahen Osten, und es ist Jahrzehnte her, seit eine arabische Armee ernsthaft in Erwägung zog, es anzugreifen. Sollte eine arabische Armee in einem Krieg gegen Israel jemals konventionell die Oberhand gewinnen, müsste sie sofort mit Israels Atomwaffen rechnen. Doch Israels Situation ist politisch alles andere als sicher, denn obwohl es seit sechs Jahrzehnten existiert und seine Bevölkerung um das Zehnfache gewachsen ist, hat es nicht die Akzeptanz seiner arabischen Nachbarn erreicht. Die einzige wirkliche Garantie des langfristigen Überlebens des Lands besteht darin, ein anerkanntes Mitglied eines regionalen Staaten- und Wirtschaftssystems zu werden. Das zu erreichen, musste für Israel aufgrund der Art seiner Gründung immer schwierig sein.
gute nacht....
Gruß Eddy |
|